Meine Damen und Herren,
zur Eröffnung unserer 11.
Ausstellung, mit dem "bescheidenenen" Titel „ALLES WAS MISST.." möchten wir,
d.h. Frau Rixner und ich, Sie herzlich willkommen heissen.
Auch diesmal ist die erste Intention,die ausgestellten Objekte, sofern sie
nicht selbsterklärend sind, dem interessierten Betrachter in ihrer Funktion
näherzubringen – weg von der Blackbox mit Bildschirm und Tastatur.
Dass hier eben ein solches Gerät, zur Bestimmung des organischen
Kohlenstoffs in Wasser steht, ist nur ein Hinweis darauf, dass wir diese
Ausstellungen zwar auch aus nostalgischen Gründen kreiert haben, aber
keinesfalls weltfremd gegen moderne Systeme agieren wollen.
Für viele der hier anwesenden ist
das Messen ein tägliches Geschäft und es ist natürlich sinnvoll, wenn die
Kunden die erzeugten Messwerte verstehen und interpretieren können.
Diese Tatsache ist nicht
selbstverständlich:
Zum Entsetzen der NASA verglühte im
September 1999 die amerikanische Raumsonde Mars Climate Orbiter in der
Marsatmosphäre. Sie war vom vorgesehenen Kurs abgewichen. Als Ursache
stellte sich die unterschiedliche Anwendung von Messsystemen durch die
Ingenieure der NASA heraus: ein Teil des Teams rechnete in englischen, der
andere Teil in metrischen Einheiten.
Dies geschah, obwohl die Bemühungen, die Masssysteme national und
international zu harmonisieren bereits kurz nach der Französischen
Revolution, im März 1790 auf Antrag von Talleyrand, begonnen hatten –
allerdings zog sich England aus den Verhandlungen zurück. Das Motto der
Initiative "A tous les temps, à tous les peuples" wurde somit nicht erfüllt.
Man sieht wohin es führen kann, wenn nicht alle an Entscheidungen für alle
beteiligt sind ...
Wie alle andern Staaten Europas
hatte auch Frankreich ein uneinheitliches Masssystem, welches Irrtum und
Betrug Tür und Tor öffnete. Für die Längenmessung bezog man sich seit
Jahrtausenden auf menschliche Körpermasse wie Elle, Fuss und Finger
der Griechen, dem Doppelschritt der Römer bis zu den verwirrend vielfältigen
Massen des Mittelalters. Bereits Karl der Grosse hatte in seiner „Admonito
generalis", der Allgemeinen Ermahnung aus dem Jahre 789 gleiche und
richtige Masse und gerechte und gleiche Gewichte gefordert. Eine Forderung
die nicht umgesetzt wurde, da sein Reich in immer mehr Teilstaaten zerfiel.
Selbst die Zünfte hatten eigene,
jedoch unterschiedliche Masse. Als Beispiel seien die beiden Ellen am
Stefansdom in Wien erwähnt: mit der kleinen „Tuch-Elle" etwa 775 mm lang,
wurde das teure Tuch, mit der Leinwand-Elle, mit einer Länge von 898 mm, die
billigere Leinwand vermessen. Solche „Normale" finden sich an vielen
Kirchen, z.B. auch am Münster in Freiburg wo man die auf dem Markt gekauften
Brote auf ausreichende Grösse direkt nach dem Kauf auf dem Markt überprüfen
konnte. Passten sie durch die Normale, musste der Bäcker den Tag am Pranger
verbringen.
Im Jahre 1790 wurden
Wissenschaftler von der Academie des Sciences in eine Kommission berufen um
die veraltete Struktur des Ancient Régime zu erneuern. Antoine Laurant
Lavoisier nahm aktiv und in führender Rolle an der Reform von Gewicht und
Mass teil.
Nach drei Jahren zeigte die Arbeit
der Kommission erste Erfole: Die Längeneinheit wurde nicht mehr auf die
Körpermasse bezogen, vielmehr war fortan der Meter als vierzigmillionster
Teil des Erdumfangs die Bezugsgrösse. Bereits die antiken Astronomen hatten
sich, wie Lavoisier selbst bemerkte, bei der Definition ihrer Masssysteme
auf die Verwendung des Meridians gestützt.
Konsequent und grundlegend neu war
die Einführung des Dezimalsystems bei den Masseinheiten, so dass die Skalen
der Masse die gleichen Eigenschaften hatten wie die Zahlen, die in der
Arithmetik verwendet werden. Im Bericht der Kommission ist dazu zu lesen:
"Im Allgemeinen beobachten wir, dass die dezimale Arithmetik bei all den
Gesellschaften vorhanden ist, von deren Geschichte wir Kunde haben. Es ist
wahrscheinlich, dass die Gestalt der Hand zu einer Vorliebe für die Zahl 10
geführt hat, die jeder an seinen Fingen hat, und dass diese Zahl daher
natürlicherweise die Basis der arithmetischen Skala wurde, die in allen
Ländern eingeführt wurde."
Auch die Nomenklatur der Masse und
Gewichte wurde vollständig neu aus dem Griechischen abgeleitet. Die Begriffe
Meter und Kilogramm wurden somit erst im Jahre 1790 geprägt. In seiner
Méthode de nomenclature chimique hatte Lavosier den Gebrauch von Präfixen
für die Vielfachen der ausgewählten Einheiten eingeführt. Dieses System
wurde nun übernommen.
Es war nicht einfach gegen
überkommene Gewohnheiten anzukommen und viele, auch namhafte Wissenschaftler
glaubten an ein Scheitern der Neuerung. Dies war auch der Grund, warum sich
die Royal Society in London nach anfänglicher Unterstützung der Idee von den
Verhandlungen zurückzog. Das dezimale Masssystem wurde dennoch von den
meisten der europäischen Länder übernommen und es wurde ein Erfolgsmodell.
Inzwischen ist es das erfolgreichste und meistbenutzte der Welt.
Auch heute noch stellen sich zwei
grundsätzliche Fragen:
1. Verwende ich die richtigen
Einheiten?
Die erste Frage fordert
gleichermassen Politiker und Wissenschaftler und sie wird immer wieder neu
gestellt, auch wenn mit der weltweiten Einführung des internationalen
Einheitensystems (SI) ein Meilenstein gesetzt wurde. Allerdings wird in den
USA der Tank immer noch mit Gallons statt mit Litern gefüllt.
2. Sind diese Einheiten auf einer
sinnvollen Basis definiert?
Die zweite Frage beschäftigt die
Grundlagenforscher, die immer wieder zu überprüfen haben, ob das Masssystem
auf unveränderlichen Grössen basiert und inzwischen hat man akzeptable
Lösungen gefunden.
Die 9. internationale
Generalkonferenz für Mass und Gewicht verabschiedete 1948 einen ersten
Entwurf für ein Internationales Einheitensystem. Sechs kohärente, also durch
Multiplikation und Division verknüpfte Basiseinheiten, bildeten die
Grundlage. Damit fielen erstmals alle Umrechnungseinheiten weg. Die sechs
Basiseinheiten waren:
1. der Meter (Länge)
2. das Kilogramm (Masse)
3. die Sekunde (Zeit)
4. das Ampére (Stromstärke)
5. das Kelvin (Temperatur)
6. die Candela (Lichtstärke)
Die Zustimmung zu diesem Vorschlag erfolgte im Jahre 1954 auf der zehnten Konferenz.
Im Jahre 1973 wurde eine siebte Einheit das Mol (Stoffmenge) an sechster Stelle eingeführt.
Die Candela wurde an die siebte Stelle gestellt, ein Ausdruck dafür, dass sie unter
Umständen wieder zur Disposition steht.
Der Name „Systeme International d’Unités", kurz SI, wurde 1960 auf der 11. Konferenz vergeben und
international akzeptiert. Ferner wurde die Längeneinheit auf eine neue Basis
gestellt.
Der Meter wurde definiert als ein Vielfaches der Wellenlänge von
Krypton Atomen (86Kr). Damit wurde eine alte Forderung erfüllt,
die 1870 von Clerk Maxwell erhoben wurde, wonach die Einheiten nicht auf
Bewegung und Masse der Erde, sondern in unverückbaren physikalischen
Gegebenheiten auf molekularer Basis aufgebaut werden müssen. 1889 erweiterte
Max Planck den Anspruch: Ein Einheitensystem muss auf Fundamentalkonstanten
zurückgeführt werden. Diese Forderung wurde im Jahre 1983 erfüllt:
Der Meter wurde definiert als die Länge der Strecke, die das Licht im Vakuum in einer Zeit
von 1/299 792 458 sec zurücklegt.
Damit wurde endlich das Längenmass mit dem Zeitmass verknüpfbar.
Die Planck’sche Forderung wurde nach und nach auch bei den anderen Einheiten
erfüllt. Heute wird nur noch das Kilogramm auf einen Körper bezogen, der in
Sévres bei Paris und als Kopie als so genannte Normale in 17 facher
Ausführung in verschiedenen Ländern unter standardisierten Bedingungen
gelagert wird. Es erstaunt nicht, dass diese verschiedenen Typen zunehmend
voneinander abweichen – es besteht Handlungsbedarf danach, auch diese
Einheit auf eine Fundamentalkonstante zu beziehen.
Wir dürfen gespannt
sein... die Masseinheit dafür ist Volt.
Gespannt sein dürfen wir auch auf das Buffet, das von der Firma Solvias gestiftet wurde.
Vielen Dank dafür.
Ich erkläre die Ausstellung für eröffnet. Viel Spass beim studieren der
Exponate!
Die Ausstellung ist hiermit offiziell eröffnet, ich wünsche viel Spass!