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            live NOVARTIS    31. Januar 2000     Nr.2

Ausstellung.Unter dem Titel "Geschichte der Pharmazie" zeigt eine kleine, aber feine Ausstellung im Werk Klybeck der Novartis gegenwärtig die Entwicklung von Arzneigefässen in verschiedenen Kulturkreisen.

Von Inros, Alborelli
und anderen "Flaschen"

VON PETER C. MÜLLER

Kurt Paulus, Leiter des Pharma-Mikroskopierlabors im Werk Klybeck, macht mit seiner Ausstellung "Geschichte der Pharmazie" schier Unmögliches möglich. Er schlägt mit seinen Exponaten nämlich nicht nur einen zeitlichen Bogen von der Antike bis zur Gegenwart, sondern er lässt den faszinierten Betrachter von Asien über Afrika bis nach Europa gleich noch quer über die Kontinente reisen.

Japan,…
In der sogenannten japanischen Ecke" findet man so beispielsweise eine Hinweistafel für ein Schmerzmittel einer japanischen Arzneimittelhandlung aus dem 19. Jahrhundert, der sogenannten Meiji-Zeit. Oder die verschiedensten "Inros". Es sind dies Gefässe aus Holz, Elfenbein oder Knochen, die am Gürtel getragen wurden und die Pillen und Duftstoffe enthielten. Nach älteren Quellenangaben enthielten sie aber auch "bloss" ein rotes Pulver, dem man die wunderbarsten Wirkungen zuschrieb, die sogenannte "Terra japonica". "Dabei handelt es sich aber nicht um eine 'rote Erde', wie man annahm, sondern um einen Extrakt aus der Akazie," erklärt Kurt Paulus höchst fachkundig und aufgrund eigener Untersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop. Geholfen haben soll die "Terra japonica" gemäss Quellen aus dem frühen 18. Jahrhundert gegen Blutstürze, Erbrechen oder wacklige Zähne.
...Afrika...
Andere äusserst sehenswerte Exponate der Ausstellung stammen aber auch aus Afrika: So ist neben einem Gefäss für Augenschminke beispielsweise eine ägyptische Schminkpalette aus der 12. oder 13. Dynastie (1976 bis 1645 v. Chr.) zu sehen. Es ist dies eine typische Grabbeigabe, die zu Lebzeiten zum Anreiben der schwarzen oder grünen Augenschminke verwendet wurde. Es ist allerdings nicht klar, ob die Augenschminke nur der Schönheit diente oder nicht auch gegen Augenentzündungen angewendet wurde.
... und Europa,....

Die Mehrzahl der Gegenstände in der Ausstellung stammt aber ganz eindeutig aus dem Europa von gestern und heute: In der Antike, zur Zeit des römischen Reiches, wurden beispielsweise Medikamenten- und Kosmetikgefässe aus - teilweise papierdünnem - Glas hergestellt, die zum Teil auch in Nähe von Basel, in der römischen Siedlung Augusta raurica, gefunden wurden und die nun in der Ausstellung exquisit auf Aquariensand präsentiert werden. Äusserst vielseitig sind die Gefässe dabei in Farbe und Form: So gibt es Glasgefässe mit birnenförmigem Körper und Ösenhenkeln, zylindrische Töpfchen aus grünlichem Glas oder Fläschen aus blaugrünem Glas mit zwiebelförmigem Körper. Zeitlich stammen sie zumeist aus dem ersten bis vierten Jahrhundert nach Christus.

Hals durchschnitten...

Sehr sehenswert sind in der Ausstellung aber auch die europäischen Arzneigefässe aus dem Mittellalter: Gewöhnlich benutzte man im späten Mittellalter zur Aufbewahrung von Arzneien kleine Glasbehälter, die mit Holz, Stoff, Pergament oder Papier verschlossen wurden. Durch Zuschmelzen konnten die Gefässe dabei auch hermetisch verschlossen werden. Diese Technik war aus dem Osten übernommen worden und wurde "sigillum hermetis" genannt. Zum Öffnen der Gefässe durchschnitt man dann einfach den Hals mit einem heissen Eisen oder einem Schwefelfaden. Erhalten haben sich solche mittelalterlichen Arzneiflaschen als Behälter von Reliquien und viele stammen aus Bodenfunden: Die Fläschen wurden offensichtlich nur einmal verwendet, weshalb man hunderte von ihnen aus Abfallgruben, sogenannten Latrinen, zutage fördern konnte.

Zur Aufnahme geringer Arzneimengen wurden vor allem im Spätmittelalter zudem sogenannte "Bleterlein" oder "Blätterchen" geblasen, kleine Fläschen, die dann im 18. Jahrhundert nur noch als billige Gebrauchsware hergestellt wurden.

Mit den Drogen oder Arzneien aus islamischen Ländern lernte man im Italien des späten 16. Jahrhunderts dann auch die orientalischen Gefässe kennen. Diese waren im wesentlichen "Majoliken", also Kunsttöpfereien von eindrucksvoller Form mit Zinnglasur und farbiger Dekoration. Diese Technik und Formen waren im Abendland damals bis dato unbekannt und erhöhten daher durch ihre fremdartige Wirkung die Anziehungskraft der Welt des Ostens. Die Schiffe, die spanische Keramik nach Italien brachte, kamen aus Mallorca, das damals noch "Majolica" hiess. Dieser Name wurde und wird deshalb auch heute noch allgemein für glasierte Keramik dieser Art verwendet.

Da die Ware für den täglichen Gebrauch aber bald einmal zu teuer wurde, begann man sie zu kopieren, stellte in Italien selbst solche Gefässe her und nannte sie "Alborello". Einige besonders schöne "Alborelli" sind nun auch in der Ausstellung von Kurt Paulus zu sehen.

 

Brückenschlag

Den endgültigen Brückenschlag von der Vergangenheit in die Gegenwart vollbringt in der Ausstellung dann schliesslich eine weitere Vitrine mit Medikamentenpackungen: So erblickt man beispielsweise eine Packung mit Cibazol-Gazekompressen, eine Resyl-Ampulle von Ciba oder ein Röhrchen Alcazyl von Wander.

Alles in allem also eine packende Ausstellung, die mit ihren vielen Exponaten von Gefässen über Packungen bis zu Arzneimittel-Waagen oder Kräuterpressen eine faszinierende Reise durch die Zeiten erlaubt. Oder wie dies Michael Kessler, Direktor des Pharmazie-Museums in Basel, anlässlich der Vernissage ausdrückte: "Hier wird auf eindrücklichste Weise die Entwicklung der Arzneimittel-Herstellung von der Handarbeit hin zur pharmazeutischen Produktion aufgezeigt: eine einmalige Gelegenheit sich auf engstem Raum und innert kürzester Zeit die Geschichte der Pharmazie vor Augen zu führen."

                    Die Ausstellung "Geschichte der Arneigefässe" ist im Foyer des K-127 noch bis zum
                    28. April zu sehen.
                    Ein Besuch lohnt sich!