Robert Koch (1843-1910)
und das Mikroskop
Der als Landarzt und Kreisphysikus in der preussischen Provinz Posen wirkende Robert Koch
begann seine Forschungen an Einzellern, Algen und Infusorien.
1873 fand er in den Bakterien einen noch interessanteren Gegenstand. Als Erreger des
Milzbrandes, einer besonders unter Schafen und Rindern grassierenden Tierseuche,
identifizierte er die schon von anderen Forschern beschriebenen "Stäbchenförmigen
Körper im Blute.
Nach diesem Erfolg ging es ihm darum, die Bakterien zu photographieren, um die Fachwelt zu
überzeugen. Eine Photographie kann man als Beweisstück im Kollegenkreis herumzeigen, man
kann sie in einer Veröffentlichung reproduzieren, und zudem ist die photographische
Platte empfindlicher als die Netzhaut des menschlichen Auges.
Im Juli 1876 bestellte Robert Koch bei der Optischen Werkstätte einen
mikrophotographischen Apparat nebst Kondensor und Beleuchtungsapparat. Es ist mir
nämlich gelungen, schrieb er an Carl Zeiss, die Bakterien mit solchen
Farbstoffen zu imprägnieren, welche ihre Form nicht verändern und sie ganz
ausserordentlich deutlich erscheinen lassen.
Mit Ungeduld erwartete Robert Koch die Lieferung: als der Apparat nach elf Wochen in
gutem Zustand ankam, gefielen dem Forscher die Konstruktion und die Arbeit
sehr. Da er so viel Rühmliches über die Zeissschen Objektive gehört
hatte, bestellte Robert Koch für seine Untersuchungen der Wundinfektionen auch ein
Mikroskop in Jena. Am 10. Februar 1878 berichtete er an Carl Zeiss:
Mit Hilfe dieses Instrumentes ist es mir gelungen, nicht unwichtige Entdeckungen zu machen
und, um was es mir hauptsächlich zu tun war, eins der schwierigsten mikroskopischen
Objekte durch photographische Abbildungen weiteren Kreisen zugänglich zu machen...
Auch in Form der Papierabdrücke haben meine Photogramme vielen Beifall gefunden und
manches Lob eingetragen, das natürlich weniger mir, als Ihren ausgezeichneten Systemen
gilt. Beim arbeiten habe ich die Überzeugung gewonnen, dass die photographischen Systeme
vorzügliche Leistungen Ihrer Kunst sind.
Auf diese Mitteilungen erhielt Robert Koch postwendend neue Linsensysteme. Wahrscheinlich
handelte es sich bereits um die homogene Ölimmersion. Jedenfalls hat der Gelehrte im
September 1878 auf der Versammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte in Kassel
mitgeteilt, wie er mit Hilfe der neuen Technik die Schwierigkeiten meistern konnte:
Mit der Verbindung geeigneter Färbungen des Abbeschen Condensors und der homogenen
Ölimmersions-Systeme änderte sich die Sachlage vollständig. An den Präparaten, in
denen vorher gar keine oder wenig charakteristische Bakterien zu sehen waren, zeigte
dieses neue Verfahren einer solchen Klarheit und Schärfe des Bildes, dass sie mit
Leichtigkeit zu erkennen und von anderen gefärbten Objekten im Präparat ganz sicher zu
unterscheiden waren.
Nach Emil von Behring ist 1878 das Geburtsjahr der medizinischen
Parasitologie. Mit dem Erscheinen von Robert Kochs Untersuchungen über die
Aetiologie der Wundinfektionskrankheiten sei die Grundlage einer neuen Lehre von den
Infektionskrankheiten geschaffen worden.
1878 hatte Robert Koch zum ersten Mal ein Abbesches Ölimmersionssytem in die Hand
bekommen und sich von dem gewaltigen Fortschritt überzeugt, der, wie er
schrieb, der optischen Werkstätte von Carl Zeiss unter Professor Abbes genialem
Beirat gelungen war. Seit dieser Zeit bevorzugte der Forscher die Zeissschen
Mikroskope, und es gibt kaum einen Zweifel, dass er die Tuberkelbazillen 1882 wie die
Erreger der Cholera 1883 mit Zeissschen Instrumenten entdeckt hat.
Recht oft habe ich, wenn ich Ölsysteme benutzte, mit Bewunderung und Dankbarkeit
der Zeissschen optischen Werkstätte gedacht, berichtete Robert Koch nach Jena;
verdanke ich doch einen grossen Teil der Erfolge, welche für die Wissenschaft zu
erringen mir vergönnt war, Ihren ausgezeichneten Mikroskopen.
Dickes Lob gab es auch von dem Botaniker Leopold Dippel im Handbuch der allgemeinen
Mikroskopie:
In der ersten Auflage [1867] konnte ich bereits die Erzeugnisse der Jenaer Werkstätte zu
dem besten, was damals geleistet wurde, vollkommen zur Seite stellen, Seit dem letzten
Jahrzehnt aber hat dieselbe unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor Dr. Abbe
und bei wesentlicher Vervollkommnung der Arbeitsmethoden einen so grossartigen Aufschwung
genommen, dass ich keinen Anstand nehme, dieselbe in Bezug auf die Gesamtheit ihrer
Leistungen nach jeder Richtung hin in die Spitze zu stellen.
Das Dippelsche Handbuch erschien 1882. In den folgenden Jahren vergrösserte sich der
Vorsprung der Optischen Werkstätte. Die im Glastechnischen Laboratorium Schott
& Genossen erschmolzenen Gläser ermöglichten es Abbe, eine alte Idee zu
verwirklichen: eine Optik zu schaffen, die nicht nur (wie der Achromat) für zwei
Spektrallinien korrigiert ist, sondern für drei Linien. Bei diesen
Apochromaten ist auch das schwache sekundäre Spektrum beseitigt.
Hinzu kommt, dass die Bauart des Apochromaten eine besonders hohe Auflösung im Sinne der
Abbeschen Abbildungstheorie ermöglicht.
Für Abbe war die Berechnung der aus zehn Einzellinsen bestehenden Apochromate Höhepunkt
und Schlussstein seiner mehr als fünfzehnjährigen Arbeit am Mikroskop. Als Carl Zeiss
1886 mit den neuen Linsensystemen auf den Markt kam, bemerkten auch die Konkurenzfirmen,
dass man in einer neuen Epoche der Optik lebte. so war die Existenz von Ernst
Leitz in Wetzlar ernsthaft bedroht, weil alle Welt nur noch Zeisssche Instrumente haben
wollte. Die Krise konnte gemeistert werden, weil nun auch in Wetzlar die mathematischen
Berechnung anstelle der Pröbelei trat und weil Ernst Abbe bewusst auf eine
Patentierung der Apochromate verzichtet hatte.
Wie alle Arbeiten unserer Firma, heisst es in einer Jenaer Preisliste von
1886, stehen auch diese Neuerungen ganz auf dem Boden freister Konkurrenz. Die von
uns benutzten Gläser sind mit unserer eigenen Beihilfe schon jetzt jedem zugänglich, und
kein Optiker ist im geringsten behindert, die gleichen Linsen anzufertigen, so gut und so
billig er vermag.
Noch heute ist für alle Mirkoskophersteller, Japaner wie Europäer, die Grundlage der
Arbeit die damals von Ernst Abbe entwickelte Theorie.
Am 24. und 25. September 1886 feierte die Firma die Fertigstellung des zehntausendsten
Mikroskops. Die einfachen Mikroskope waren dabei nicht mitgezählt, auch nicht
die Einzelsysteme (denen etwa das Fünffache produziert wurde). Die Zahl 10000
repräsentiert also im wesentlichen die seit 1871 (aufgrund der Abbeschen Berechnungen)
gefertigten Instrumente.
Robert Koch (dritter von rechts) auf der
deutschen Cholera-Expedition in Ägypten 1884
150 Jahre Carl Zeiss Hall of Medicine
19.9.96/27.12.98 Kurt Paulus