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Die Schule von SALERNOCiba-Zeitschrift April 1938 Nr.56
Inhalt
Die Anfänge der Schule von Salerno In der Zeit von Galens Tod (um 201 n.Chr.) bis zum Auftreten Vesals im 16.
Jahrhundert gab es in der Medizin keinen wissenschaftlichen Fortschritt, da
das Mittelalter im wesentlichen nur das Erbe der Antike übernahm, ohne eigene
neue Werte zu schaffen. Für die Anfänge Salernos ist es besonders bedeutsam, daß es wie ganz Unteritalien eine Zeitlang zu Byzanz, also zum Oströmischen Reiche gehörte, dem einzigen Staat, in dem es während der Wirren der Völkerwanderung Schulen, Bibliotheken, ausgebildete Ärzte und medizinische Schriftsteller gab, daß ferner in Unteritalien die Pflege der antiken Wissenschaft überhaupt nie ganz aufgegeben worden war und daß die Langobarden, die sich seit dem Jahre 568 hier festgesetzt hatten, die schon bestehende Kultur in den eroberten Ländern zu erhalten und zu fördern wußten. Jedenfalls soll es zur Zeit der Langobardenherrschaft, wie de Renzi in seiner Geschichte der Schule von Salerno ausführt, in Italien viele Ärzte gegeben haben, die zum Teil den Titel "Magister scolae" führten; es darf wohl angenommen werden, daß unter ihnen auch solche aus Salerno waren. Daß Salerno seit dem Jahre 500 Bischofssitz war, kann ebenfalls als eine günstige Bedingung für die geistige Entwicklung der Stadt gewertet werden, denn im frühen Mittelalter wurden in den bischöflichen Residenzen Schulen gegründet und gefördert. Noch wichtiger aber ist die Gründung eines Benediktinerklosters in Salerno (Ende des 7.Jh.), war es doch bei den Benediktinern eine Ordenspflicht, sich mit den Wissenschaften zu beschäftigen. So wird ihnen ausdrücklich anbefohlen, Hippokrates, Galen, Aurelian und andere medizinische Schriftsteller zu studieren. Die Anwesenheit jüdischer Ärzte - Juden wohnten seit römischer Zeit im Lande - das günstige Klima Salernos, das Kranke und Rekonvaleszenten anzog, und die hier auf bewahrten wundertätigen Reliquien einiger Heiligen trugen dazu bei, daß in Salerno die Heilkunde zum Mittelpunkt des geistigen Lebens wurde, sodaß es, obwohl auch die Philosophie und die Jurisprudenz hier geblüht haben sollen, schlechthin als "civitas hippocratica" bezeichnet wurde. Bemerkenswert ist, daß in Salerno sowohl Geistliche als auch Laien, Einheimische und Fremde, Männer wie auch Frauen als Ärzte tätig waren. Wann und wie sich die in Salerno wirkenden Ärzte zu einem Verband, dem "Collegium hippocraticum" vereinigten, ist unbekannt, man weiß auch nichts Näheres über die Entstehung der medizinischen Lehranstalt, die zu einer Zeit, wo sich alle Gelehrsamkeit fast ausschließlich bei der Geistlichkeit fand, von Laien geleitet wurde. Dokumente des neapolitanischen Archives beweisen das: denn Männer und Frauen, Priester und Juden werden hier nebeneinander aufgezählt, und von einigen Schulvorstehern wird ausdrücklich gesagt, daß sie verheiratet waren. Schon im Mittelalter wußte man über die Gründung der Medizinschule von Salerno nichts Genaueres mehr zu berichten, und in den folgenden Jahrhunderten war sie vollends sagenhaft geworden. Nach einer alten Chronik soll die Schule - wann wird nicht gesagt - von vier Ärzten verschiedener Herkunft gegründet worden sein, einem Griechen, einem Lateiner, einem Sarazenen und einem Juden, von denen jeder für seine Landsleute in seiner Muttersprache vortrug. Obwohl diese Legende die Frage nach dem Ursprung der Schule nicht zu beantworten vermag, ist sie doch insofern aufschlußreich, als aus ihr der internationale und religiös freie Charakter der Schule von Salerno hervorgeht, der ihre Entwicklung entscheidend beeinflußte und dem sie ihre große Bedeutung zu verdanken hat. Da es an beweisenden Dokumenten fehlt, gehen die Ansichten über die Anfänge der Schule von Salerno weit auseinander. Bald soll sie von christlichen Flüchtlingen aus Alexandrien (644), bald von deren Bedrängern, den Arabern, oder von Karl dem Großen (747-814), oder endlich von den Benediktinern ins Leben gerufen worden sein. Nach den Ergebnissen der neueren medizinhistorischen Forschung ist die Schule von Salerno jedoch nicht "gegründet" worden, sondern entstand allmählich und wuchs organisch. Wie dem auch sei, nach den Berichten des Arztes und Dichters Alpanus, des
Erzbischofs von Salerno (11.Jh.), stand dort die Medizin schon im 9. Jahrhundert
in Blüte und in der gleichen Zeit werden in den Urkunden der Stadt Salerno
schon Ärzte genannt, im Jahre 848 ein gewisser Josep, 855 ein "Josan
medicus", und von da an hört man immer wieder von Salernitaner Ärzten,
die teils in Salerno selbst (Ragenfried um 950, Grimoald gegen das Jahr 1000),
teils an fremden Höfen wirkten, z.B. am Hofe Ludwigs IV. von Frankreich
(936-954). Gleichzeitig wird auch von Patienten berichtet, die von weither
kamen, um in Salerno Heilung zu suchen, so vom Bischof von Reims, Adalberon, im
Jahre 984, von Desiderius, dem Abt von Montecassino, dem späteren Papst Victor
III. (1086-1087), von Bohemund (1065 -1111), dem Sohn des Herzogs Guiscard
(1056-1085) und von Robert, dem Sohn Wilhelms des Eroberers (1027 bis 1087). Wie
allgemein bekannt Salerno in der mittelalterlichen Welt gewesen sein muß,
läßt sich auch daraus schließen, daß es in dichterischen Werken erwähnt
wird. Der deutsche Minnesänger Hartmann von Aue läßt seinen Helden, den armen
Heinrich, der leprakrank ist, mit dem ihn liebenden Mädchen nach Salerno
wandern, und der Franzose Ruteboeuf (13 - Jahrhundert) verspottet Salernitaner
Verhältnisse und Salernitaner.Ärzte in satirischen Gedichten.
Berühmter als diese beiden Gelehrten ist Trotula. Sie lebte wahrscheinlich
auch im 11. Jahrhundert, eine jener Frauen, die in Salerno studierten und dann
den ärztlichen Beruf ausübten. Ob Trotula tatsächlich Ärztin gewesen ist,
darüber sind die Medizinhistoriker nicht einig, von manchen wird sie bloß als
Hebamme bezeichnet, andere gehen noch weiter und bezweifeln, daß die berühmte
Trotula je gelebt habe. Vermutlich stammte Trotula aus einer der vornehmsten
Familien des Landes. Vielleicht war sie die Frau des Arztes Johann Platearius
d.Ä. und die Mutter eines berühmten medizinischen Schriftstellers, des
Matthäus Platearius. Leicht hätte dieses erste Lehrgedicht der Schule von Salerno ihr letztes Werk sein können. Denn die abendländische Medizin, die sich in Salerno zu entwickeln begann, schien nahe daran, aus Mangel an neuen Erkenntnissen und Gedanken wieder abzusterben. Constaninius Africanus und der Einfluss der Araber auf Salerno
Auch außerhalb Europas wurde das Erbe der Antike lebendig. Die Araber, die
auf ihrem Eroberungszug durch Persien und Ägypten mit dem Griechentum in
Berührung gekommen waren, nahmen die griechische Gedankenwelt schnell auf.
Unter der Herrschaft der Kalifen wurden viele griechische Autoren, darunter alle
bedeutenden medizinischen, übersetzt, und zu Ende des 9. Jahrhunderts gab es
kein größeres wissenschaftliches Werk mehr, das nicht ins Arabische
übertragen war. Aber auch was die Araber an eigenen medizinischen Schriften
hervorbrachten, die Werke eines Albukasin (10. Jhdt.), Rhazes (etwa 850 bis etwa
932)und der Kanon des Avicenna, sie alle sind auf griechischem Wissen aufgebaut. Constantinus Africanus wurde um das Jahr 1018 in Karthago geboren. Er widmete
sich früh der Medizin und begab sich nach Art der griechischen Gelehrten auf
Reisen. Die "Practica" von Roger, bekannt in der Bearbeitung seines
Schülers Roland von Parma (entstanden um 1240) und in ähnlicher Art die "Chirurgia"
von Jamatus beschäftigen sich außer mit ihrem engeren Gebiet (Frakturen,
Verletzungen, Hernien, Steinen, Fisteln, krebsartigen Geschwüren und Abszessen)
auch mit Hautkrankheiten, vom harmlosen Ausschlag bis zur Lepra, und selbst mit
Psychosen und Epilepsie, wohl deshalb, weil man gegen die letztgenannten Leiden
die Kauterisation anwendete, die als chirurgisches Verfahren galt. Es werden
auch Trepanationen behandelt und Schilddrüsenablationen mittels des Haarseiles
(die dann vorgenommen werden, wenn die konservative Kropfbehandlung mit
Meerschwämmen nichts genützt hat). Die Narkose kannte man, und zwar wurden den
Patienten Schwämme, die mit narkotischen Pflanzensäften getränkt waren, vor
die Nase gehalten. Das Blut stillte man durch Unterbinden, durch Anwendung des
Glüheisens oder durch blutstillende Medikamente. Welcher Grad von chirurgischer
Technik damals in Salerno erreicht war, läßt sich daran erkennen, daß bei
einer Bauchverletzung der zerrissene Darm über einem Holunderröhrchen, das man
in beide Darmenden hineinschob, oder über der Luftröhre eines Tieres
zusammengenäht wurde. Afflacius verfaßte die "Curae de febribus et urinis", das erste der später so zahlreich auftretenden Traktate über den Harn. Bartholomäus schrieb die berühmt gewordene und in viele Sprachen übersetzte "Practica" (ausführlich: Introductiones et experimenta in practicam Hippocratis, Galieni, Constantini, graecorum medicorum), ein Buch, das die Grundlage vieler späterer Arzneibücher wurde. Aus dem fast unmerkbaren Geräusch des Pulses und aus der Art des Harnes ein ganzes Krankheitsbild aufzubauen, entspricht der Vorliebe der Araber für Unterscheidungen und Analogien. Von der hippokratischen Serniotik ist die arabische sehr verschieden. Denn das Beobachten, das Hippokrates lehrte, war bei allem Eingehen auf Einzelheiten doch auf den Gesamteindruck gerichtet, die arabische Art aber ist ausgesprochen spekulativ: im Pulsschlag werden Gattungen, Arten und Unterarten unterschieden, und der Harn wird nach Farbe, Dichte, Menge und Trübungen untersucht, wobei man seine 19 Farben den Veränderungen der Elementarsäfte und die Stelle, wo im Glas die Trübungen zum Vorschein kommen, einer entsprechenden Region des menschlichen Körpers zuordnet. Der fremde Geist, der sich in der neuen Therapie regte, war der hippokratischen Einfachheit, die vor Constantinus in Salerno geherrscht hatte, zu sehr entgegengesetzt, als daß er sich ohne weiteres hätte durchsetzen können. Auf das "Antidotarium" Nicolai Salernitani mit seinen 137 komplizierten Rezepten (seit dem 16Jh.. einem Nicolaus Praepositus zugeschrieben, vermutlich infolge Verwechslung mit dem Lyoner Arzt Nicole Prevost, der um 1500 lebte) folgten Mitte des 17. Jahrhunderts die Ergänzungsschriften des Matthäus Platearius d.J., die "Glossae"„ und das " Circa instans" (so genannt nach den ersten Worten, mit denen es beginnt; sein Titel lautet: De simplici medicina), in denen der Autor, ohne auf die neuen Medikationen gänzlich zu verzichten, sie doch erheblich beschränkt. Ebenso erfährt das (,Compendium" des Magister Salernus (um 1130-1160), der die Zubereitung und Wirkungsweise der Heilmittel nach der Art der Araber erörtert, in dem Kommentar des Bernardus Provincialis (entstanden 1150-1160) eine Vereinfachung. Und die köstliche kleine ins Gastronomische gehende Abhandlung des Petrus Musandinus (Mitte des 12. Jhdts.) („Summula de praeparatione ciborum er potuum infirmorum" bringt nachdrücklich in der neuen Behandlung mit Medikamenten die hippokratische Art zum Ausdruck, die Rücksichtnahme auf die Lebensgewohnheiten und die Überzeugung von der Wichtigkeit einer entsprechenden Ernährung. In dem Ringen zwischen dem unverfälschten griechischen Einfluß, der von früher her Salerno beherrschte und dem arabischen, der mit Constantinus begann, besaß im 12. Jahrhundert der griechische noch das Übergewicht. Noch immer galt in Salerno: "Natura est operatrix, medicus vero minister", noch immer überwogen dort die Einfachheit bei der Krankenbehandlung und in der Darstellung medizinischer Lehren der gesunde Menschenverstand und der Tatsachensinn. Klassisch wurden die beiden in Salerno im 12. Jahrhundert geschriebenen Bücher, das "Regimen sanitatis Salernitanum ", das erste Schulbuch der Salernitanischen Richtung und das („De aegtitudinum curatione", ein Kompendium der inneren Medizin. Der arabische Einfluß wurde indessen immer stärker, besonders da die Könige von Neapel und Sizilien, denen Salerno gehörte, von Roger 11. (1130-1154) an, der orientalischen Kultur sehr gewogen waren. Wie einst die Kalifen griechische Werke ins Arabische hatten übersetzen lassen, so bestellten nun die Normannenkönige bei gelehrten Juden lateinische Übersetzungen arabischer Autoren. Auf diese Weise wurden Ende des 12. Jahrhunderts die Werke von Rhazes und Avicenna bekannt. Dazu kam, daß man seit der medizi.nischen Studienordnung vom Jahre 1240 nur Medizin studieren durfte, wenn man einen dreijährigen Lehrgang in der Philosophie absolviert hatte, was für das abstrakte Denken und die Dialektik in der arabischen Medizin besonders empfänglich machte. Der Eindruck, den die Werke der arabischen Schriftsteller hervorriefen, war ungeheuer. Der Tatsachenreichtum und die Eindringlichkeit des "Continens " von Rhazes, bekanntlich eine Sammlung von Auszügen arabischer und griechischer Autoren, und mehr noch die übersichtliche und folgerichtige Darstellung des Avicenna (980-1037), der alles medizinische Wissen mit Galen und Aristoteles zu fundieren wußte und auf ihm einen geschlossenen Bau aufzuführen verstand, bestrickten das Abendland. Der Widerstand der alten Richtung in Salerno wird immer schwächer. Einer der letzten Gegner der arabischen Richtung in der Medizin ist der Salernitaner Giovanni di Procida in Palermo, Leibarzt Friedrichs 11. Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts befindet sich die alte Civitas Hippocratica vollständig im Banne des Arabismus. Der Satz des Rhazes, es sei für einen Arzt wichtiger, hundert Bücher zu lesen, als hundert Kranke zu sehen, gilt nunmehr auch in Salerno. Die Folge dieser völligen Unterwerfung unter einen fremden Geist ist der nun allmählich einsetzende Niedergang der Schule von Salerno. Sie wird literarisch unfruchtbar, die Zahl der Schüler nimmt ständig ab und für das Ausland verliert Salerno seine Anziehungskraft, umsomehr, als die Kunst der Dialektik an den Schulen von Bologna und Paris, die sich inzwischen entfaltet hatten, viel höher stand. Auch die Schule von Montpellier, nach Salerno die älteste Medizinschule des Abendlandes, war jetzt Salerno überlegen, und bei der neugegründeten Universität von Neapel (1224) fiel sehr ins Gewicht, daß Neapel königliche Residenz war. Ende des 14. Jahrhunderts spricht der italienische Dichter Francesco Petrarca
(1304 bis 1374) von Salerno wie von etwas Vergangenem: "Fuisse medicinae
fontem Salerni fama est." Tatsächlich "lebt" die Schule von
Salerno nicht mehr, obwohl sie noch jahrhundertelang fortbesteht und immer noch
Ärzte ausbildet. Im Jahre 1811 macht Napoleon ihrem Dasein ein Ende, indem er
sie offiziell schließt. Hier sind auch zu nennen die "Anatomia porci", deren Spuren sich in vielen anatomischen und chirurgischen Lehrbüchern der Folgezeit wiederfinden, dann die "Practica" des Bartholomäus, die selbst im fernen Dänemark populär war, das "Antidotariurn" von Nicolaus Salernitanus, das zum allein maßgebenden pharmazeutischen Lehrbuch des Spaten Mittelalters wurde, das Werk „De aegritudinum curatione" und nicht zuletzt das „Regimen sanitatis". Alle diese Schriften stammten aus jener Glanzzeit Salernos, die durch Constantins Wirken eingeleitet worden war. Das "Regimen sanitatis Salernitanum" Wenige Bücher außer den religiösen dürften die Lebensart der europäischen Völker jahrhundertelang so stark beeinflußt haben wie das sogenannte "Regimen sanitatis Salernitanum ", die Salernitanische Anweisung zu Gesundheit und zu langem Leben. Dieses Werk erschien im 12. Jahrhundert, in der Blütezeit Salernos, und wurde in England, Italien und Deutschland noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts neu aufgelegt, zu einer Zeit also, da die Schule von Salerno nur noch einem engen Kreise von Fachgelehrten bekannt war. Das „Regimen " erreichte mehr als 140 Ausgaben; erst wurde es als Manuskript und Inkunabel verbreitet - es war einer der frühesten kostbaren Drucke - und später wurde es zum billigen Volksbuch. Seine Volkstümlichkeit blieb nicht auf ein Land beschränkt: in fast alle europäischen, einige asiatische Sprachen, selbst in Dialekte wurde es übertragen. Der französische Medizinhistoriker Charles-Victor Daremberg (1817-1872),
einer der ersten Salerno-Forscher, nennt das Regimen, das mitunter den Namen
"Flos" oder „Lilium Medicinae" führt, ein Werk medizinischer
Rhapsoden. Tatsächlich wird nur diese Auffassung der Schrift gerecht, die
unvermittelt auftauchte, ohne daß man wüßte, wann und von wem sie verfaßt
ist, und die sich jahrhundertelang ständig veränderte und wuchs. Die
erste Ausgabe stammt von Arnald von Villanova (um 1238-1311). Sie zählt in den
meisten erhaltenen Manuskripten 362 Verse, in manchen mehr, in manchen weniger,
sodaß die Villanovaschen Ausgaben zwischen 269 bis 389 Versen schwanken.
Historisch verwertbar ist eigentlich nur die von Villanova kommentierte Ausgabe
in 364 Versen, die um 1300 erschien. Die späteren Ausgaben enthalten zum Teil
bis über 1200 Verse, ohne daß es möglich wäre, den Zeitpunkt und den
Ursprung der einzelnen Einfügungen festzustellen. De Renzi vereinigte in der
"Collectio Salernitana" (1852) alle erreichbaren Verse des "Regimen"
und kam so auf 3526 Verse, also fast auf das Zehnfache der ursprünglichen
Anzahl. Manche inhaltlichen Unstimmigkeiten und Stilunterschiede sind in den
Text des "Regimen" hineingekommen, so daß es an jene Volksepen
erinnert, deren Aufbau das Werk vieler Generationen ist, und deren Teile
verschiedenen Welten anzugehören scheinen. Nicht nur ein Volk, sondern ein
ganzer Erdteil legte in dem "Regimen " seine Erfahrungen nieder und
klammerte sich an sie in der Angst vor Krankheit und Tod. Auch andere mittelalterliche medizinische Fakultäten verfaßten ein "Regimen
" nach Art des salernitanischen, war doch der Erfolg dieses Werkes, das
schon vor der Erfindung der Buchdruckerkunst 24 Ausgaben zählte, ungeheuer.
Schon im 13. Jahrhundert spricht der französische Arzt und Dichter Gilles de
Corbeil voller Empörung von einem "Regimen" der Schule von
Montpellier; hier erschien bereits 1477 ein weiteres, und 1519 gab auch die
Pariser Fakultät ein "Regimen" heraus. Doch keines von ihnen konnte
gegen die Beliebtheit des salernitanischen aufkommen. Eine gewisse Rolle spielte
dabei sicherlich die Gefälligkeit der salernitanischen Verse. Strophen wie z.
B. "Cum locus est morbis, medico promittitur orbis" haften leicht und
lange im Gedächtnis. Vor allem aber weist das salernitanische „Regimen",
das noch aus der griechischen Periode Salernos stammt, jene Lebensbejahung und
Einfachheit auf, die den großen Massen weit eher entsprach als z. B. die
Dialektik der scholastischen Medizinschule von Paris. Die vollständige Ausgabe der Collectio Salernitana enthält zehn Teile, von denen jeder ein anderes Gebiet der Heilkunde behandelt. Die folgende Wiedergabe von Lehren und Ansichten des "Regimen" beschränkt sich nur auf einige wenige besonders interessante Gruppen, wobei gelegentlich im "Regimen" verstreute Angaben zusammengefaßt werden. Der Weg, der zur Gesundheit und zu einem langen Leben führt, wird in 8 Kapiteln wiederholt in allen Einzelheiten erklärt. Wer, so heißt es, lange leben will, muß vor der Zeit "wie ein Greis leben". Das alte griechische Maßhalten wird mit einem Aufwand an Mitteln gepredigt, der nur verständlich ist, wenn man sich vorstellt, wie fremd der Grundsatz der Mäßigkeit dem mittelalterlichen Menschen in seiner überschäumenden Lebenskraft gewesen sein mag. Für jede Jahreszeit und noch ausführlicher für jeden Monat wird die Lebensführung angegeben. Die Art und die Menge der Kost, das Ausmaß der Bewegung, das Purgieren und Aderlassen, der Grad der Enthaltsamkeit in der Liebe, alles wird erläutert. Für die Hochsommermonate wird z. B. empfohlen, das Essen und Trinken, insbesondere den Alkoholgenuß, aufs äußerste zu beschränken, die Liebe wird als lebensgefährlich bezeichnet, und vor Bädern wird gewarnt. Das im Sommer eingestellte Aderlassen soll im September wieder aufgenommen werden. An welchen Stellen des Körpers der Aderlaß ausgeführt werden soll, wird für die einzelnen Monate genau angegeben. Die Dauer des Schlafes soll nach den Jahreszeiten verschieden sein, aber sie darf nicht weniger betragen als sechs Stunden. Damit der Schlaf bekömmlich sei, ist auch die Lage beim Schlafen genau zu beachten. Am Tage nicht zu schlafen, ist eine der wichtigsten Gesundheitsregeln; wer sie außer acht läßt, wird sich Kopfweh, Schnupfen oder Fieber zuziehen, besonders, wenn er seinen Schlaf ausdehnt oder nach Tisch verlegt. Wer unbedingten Wert auf längeres Ausruhen legt, der darf es sich in den Monaten, die auf us endigen, also im Januarius, Februarius usw., erlauben. Besonders wichtig ist die Regelung der Verdauung. Und bei der Darmentleerung, so sagt das Regimen, darf man nicht innehalten, selbst wenn ein großer König mit seinem ganzen Hofstaat vorbeigehen sollte! Ebenso wenig soll man aus irgendeinem Grund die Winde zu verhalten suchen. Zwei- bis dreimal täglich muß man seinem Darm, sechsmal täglich seiner Blase Zeit und volle Aufmerksamkeit widmen. Nicht weniger wichtig für die Gesundheit ist das Baden. Bei Kopfschmerzen, Fieber, Geschwüren oder frischen Verwundungen wirken Bäder als Heilmittel, doch darf man sie nie mit vollem Magen nehmen, und nach dem Bade soll man nicht schreiben, es sei denn, man lege auf die Schonung der Augen keinen Wert. Langes Baden ist ungesund, denn es vermehrt die Feuchtigkeit des Körpers. Nicht die abwechslungsreiche, sondern die einförmige Kost ist die beste Nahrung. Äpfel, Birnen, Milch, Käse und Hasenfleisch sind schädlich, ferner alles Gebackene, jedes aus einem anderen Grunde. Brot darf man zum ersten Frühstück, nach alter Sitte in Wein getaucht, genießen, es soll aber sonst nur in kleinen Mengen und nie mit Fleisch oder Wein zusammen verzehrt werden. Butter ist ein gutes Laxans; Käse, mit Milch zusammen genossen, ruft Ausschläge hervor, ist aber am Ende der Mahlzeit bekömmlich. Gemüse sind oft vorteilhaft: Porree kann Frauen fruchtbar machen und das Blut stillen, Zwiebel, in Honig und Essig getaucht, heilt Hundebisse, kleingestoßen befördert sie den Haarwuchs. Nüsse enthalten ein starkes Gift, nach dem Genuß von Birnen sollte man sofort Wein trinken; nur Kirschen, Zwetschgen, Trauben und Feigen sind vorteilhaft für die Gesundheit, auch wirken sie abführend. Als Tafelgetränk kommt vor allem der Wein in Betracht; Wasser ist vom Tische ganz zu verbannen. Im Anschluß an die Schilderung der Eigenschaften der Speisen werden die
Heilmittel in mehr als 800 Versen besprochen. Es handelt sich um Mittel
pflanzlicher Herkunft, bei denen meistens die purgierende oder diuretische
Wirkung in den Vordergrund gestellt wird. Die Heilwirkung jeder Pflanze wird
beschrieben, von der Aloee z. B. wird gesagt, daß sie Wunden austrockne,
Augen-, Ohren-, Zungen- und Kopfweh behebe, Haarausfall und die Gelbsucht
beseitige. Zimt wird gegen Herzklopfen empfohlen, Koriander (Rumex acetosa) soll
die Menstruation aufhalten, Kümmel die Blutung vermindern. Fenchelsamen und
Kümmel sind für schwangere Frauen schädlich, aber, ebenso wie die
Gewürznelke, hervorragende Aphrodisiaka. Der weiße Pfeffer beruhigt die
Nerven, lindert den Husten und behebt das Augenflimmern. Der Anatomie gelten in der vollständigen Ausgabe der Collectio nur 35 Verse;
in den meisten anderen Ausgaben nur 10, wie z. B. in der von dem französischen
Medizinhistoriker Daremberg herausgegebenen Ausgabe von 1880. Zieht man in
Betracht, daß damals selbst die Lehrbücher der Anatomie nur wenige Seiten
stark waren, so wird es verständlich, daß eine volkstümliche Schrift sich mit
einigen Zeilen über Anatomie begnügen konnte. Die Physiologie des "Regimen" steht unter dem Einfluß der hippokratischen Säftelehre. Vier Säfte machen den Körper aus: Blut, Schleim (Phlegma), gelbe Galle (Cholera) und schwarze Galle (Melancholia). Sie vertreten im menschlichen Organismus das Universum, denn sie repräsentieren die vier Elementareigenschaften: Wärme, Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit und sind den vier Grundelementen, aus denen die Welt aufgebaut ist, zugeordnet: das Blut der Luft, der Schleim dem Wasser, die gelbe Galle dem Feuer, die schwarze Galle der Erde. In jeder Jahreszeit hat in der Natur eines der Elemente das Übergewicht, im Frühling die Luft, im Sommer das Feuer, im Herbst die Erde, im Winter das Wasser, und entsprechend ist es auch im menschlichen Leben. Auch hier gibt es vier Zeitalter, deren jedes von einem der Säfte beherrscht wird, so die Jugend vom Blut. Außerdem ist bei jedem Menschen unabhängig von seinem Alter einer der Säfte im Übergewicht; von der Natur dieses Saftes hängt seine Konstitution ab, mit allem, was sie bedingt, dem physischen und geistigen Habitus, den Neigungen und den Krankheiten. So ist der Sanguiniker genußsüchtig, lebensfroh, gutmütig und wohlwollend; er ist leicht gerötet und neigt zur Fettleibigkeit. Der Choleriker ist leidenschaftlich, jähzornig, autoritär und ehrgeizig, hochgewachsen, mager und von gelber Gesichtsfarbe. Der Phlegmatiker fällt durch seine kleine Statur, durch Korpulenz und Blässe auf; er ist immer verschlafen und zeigt für nichts Interesse. Der Melancholiker ist menschenscheu und traurig, wittert ständig Gefahren, freut sich fremden Unglücks und schläft unruhig; er ist hager, dunkel und wie ausgetrocknet.
Das Überhandnehmen eines Saftes verursacht bestimmte krankhafte Zustände,
die zu ausgesprochenen Krankheiten werden und tödlich ausgehen können (von der
Verminderung eines Saftes ist nie die Rede, wohl weil angenommen wird, daß beim
Mangel an einem Saft gleichzeitig ein anderer im Überschuß vorhanden ist). Vom
Blutüberfluß z. B. kommen Blutstürze, rote Ausschläge, Pusteln, Wassersucht.
Der Gallenüberfluß erzeugt Ohrensausen, Erbrechen, Durst, Appetit und
Schlaflosigkeit. Zuviel Phlegma ist die Ursache von Magen- und Seitenweh,
Ekelgefühl, niedriger Körpertemperatur, langsamem Puls und Schmerzen am
Hinterkopf. Auch bei einem Überschuß an schwarzer Galle ist der Puls langsam,
die Ohren sausen, man hat üblen Geschmack im Mund und allgemeine,
Körperschwäche stellt sich ein; mit der Zeit können sich aus diesem Zustand
Krankheiten entwickeln wie Krebs, Elephantiasis, Manie, Lepra, Wechselfieber
oder auch Hämorrhoiden. Ohne auf die einzelnen Krankheiten einzugehen, erörtert das therapeutische
Kapitel des „Regimen" die allgemeinen Heilverfahren, wie das Purgieren,
Klistieren, den Aderlaß und das Schröpfen. „Sensus et ars medici curant, non verba sophista, Hic aegrum relevat curis, verbis necat iste." (Nicht die Worte des Sophisten heilen, sondern die Vernunft und die Kunst des Arztes dieser hilft dem Kranken durch seine Kuren jener tötet ihn durch das Gerede.) Der Arzt wird noch einmal an den Grundsatz der Schule von Salerno erinnert: „Consule naturam!" Der Salernitaner Arzt Wie sich Hippokrates in einigen seiner Schriften mit dem Arzt und seinem Verhalten dem Kranken gegenüber befaßte, so sahen auch die Meister der Schule von Salerno ihre Pflicht als Lehrer damit nicht erfüllt, daß sie ihren Schülern Kenntnisse beibrachten; sie betonten, daß zu einem vollkommenen Arzt mehr gehöre als nur gediegenes Wissen und daß der Erfolg der Therapie auch vom Benehmen des Arztes abhänge, ja schon von dem Eindruck, den er auf den Patienten mache. Diese Seite der ärztlichen Tätigkeit durchzudenken und festzulegen, lag den Salernitanern nahe, da das Mittelalter ja auf jedem Gebiet das Tun der Menschen in allen Einzelheiten zu regeln suchte. So kommt es, daß in den Salernitaner Lehrbüchern sich immer wieder
Bemerkungen über die Persönlichkeit des Arztes eingestreut finden. Das Werk
des Archimathäus "De instructione medici" aus dem 17. Jahrhundert,
ebenso wie das gleichzeitige anonyme "De adventu medici" enthalten
neben Belehrungen in rein medizinischen Fragen auch solche über die Art, wie
der Arzt mit dem Patienten und seiner Familie zu sprechen hat, und über sein
Verhalten während des Krankenbesuches. Dem Kranken gegenüber zeigt sich der Arzt so wohlwollend und teilnahmsvoll,
daß jener den Eindruck erhält, ein Retter und Freund sei erschienen. Nachdem
er ihn zuversichtlich gestimmt hat, untersucht er den Puls und geht dann zur
Harnschau über. Eingehend prüft er Menge, Dichte und Farbe des Harnes, sowie
die vorhandenen Trübungen, denn abgesehen davon, daß diese Beobachtungen für
die Diagnose aufschlußreich sein können, ist es auch wünschenswert, daß der
Patient und seine Umgebung die Gewissenhaftigkeit des Arztes bewundern können.
Wie auch das Ergebnis der ersten Untersuchung ausfallen mag, der Arzt verspricht
dem Kranken, daß er mit Gottes Hilfe bald genesen werde. Der Familie teilt er
aber unter allen Umständen in ernstem Ton mit, daß es sich um einen schweren
Fall handle; dadurch erhöht der Arzt sein Verdienst beim Gelingen der Kur und
vermindert bei schlechtem Ausgang seine Verantwortung.
Will der promovierte Arzt seine Wissenschaft lehren, so muß er vor
diplomierten Fachlehrern und Reichsbeamten eine Zusatzprüfung ablegen, worauf
er die von Friedrich II. eingeführten Auszeichnungen, Lehrbewilligung und
Doktortitel erhält. Mit der "enia docendi" übernimmt der neue Lehrer
die Pflicht, die Apotheken der Stadt Salerno zu beaufsichtigen und auch die
vorschriftsmäßige Bereitung der Arzneien und ihre Verkaufspreise zu
überwachen. Strengstens wird dem Salernitaner Doktor untersagt, von seiner Lehrerlaubnis außerhalb Salernos
Gebrauch zu machen. Der Arzt, den Salerno jetzt formte, war ohne Zweifel gebildeter als der
Salernitaner Mediziner alten Schlages. Doch die ihm aufgezwungene philosophische
Vorbildung entfremdete ihn der medizinischen Forschung und der Praxis, wie sie
Hippokrates umschrieben hatte. Die Philosophie, die der Arzt aufnahm, war
rationalistisch und dogmatisch und machte ihn zum Dialektiker, der am
Krankenbett nicht den Tatbestand zu erkennen trachtete, sondern ihn nach
bestimmten Prinzipien abzuleiten und logisch zu begründen suchte. Die Wiederentdeckung der Schule von Salerno Die Schule von Salerno, die heute der Medizingeschichte als eine der
wichtigsten Offenbarungen des wissenschaftlichen Geistes im Mittelalter gilt, blieb bis vor hundert
Jahren fast ganz vergessen. Zwar waren einige ihrer Schriften den Fachleuten bekannt, doch genügten
diese wenigen und unvollkommenen Dokumente nicht, um die tatsächliche Bedeutung
der Schule von Salerno erkennen zu lassen. Die ersten deutschen Übersetzungen des Regimen sanitatis Salernitanum Sudhoff wies darauf hin, daß die Reihe der deutschen Inkunabeln mit den
Übersetzungen des Regimen Salernitanurn eröffnet wurde; damit erhielt diese
Schrift eine neue Bedeutung für das deutsche Sprachgebiet. Die ersten bekannten
Übersetzungen ins Deutsche erscheinen seit dem Jahre 1474. Erwähnt seien die
wichtigen Ausgaben bei Crewssner in folio 1474, 1481 (Augsburg), 1493 (bei
Kachelofen in Leipzig), 1495, 15o8 (Regimen Salerni, continet 59 distich.
Partim ex Schola Salerni; Nürnberg), 1509 (Brunschwig), 1519 (Straßburg)
usw. Wie groß die Anhänglichkeit des deutschen Volkes, gegenüber dem Regimen
war, beweist die Tatsache, daß noch im Jahre 1869, also mehr als 400 Jahre
nach dem Erscheinen der ersten Volksausgabe, eine neue durch J. Bücheler
(Düsseldorf) verlegt wurde, die den Titel führt: „Regimen sanitatis
salernitanum, d. i kurzgefaßte, dem Munde des Volkes angepaßte Diätetik in
Versen." Phantastische Heilvorschriften der Salernitaner Zwar protestierten die Salernitaner gegen die komplizierten Medikamente der
arabischen Pharmakopöe, doch finden sich bei ihnen häufig Heilvorschriften,
die noch phantastischer sind als die der Araber. Gegen Ohrenweh: Ein Abguß von Erdwürmern, die in Öl geweicht worden sind, soll warm ins Ohr getropft werden. Gegen Abortus: Ein -Magnet muß um den Hals gebunden werden oder ein schwammiger Knochen von einem Eselskopf. Gegen Magerkeit: Ein Huhn wird mit fetten Kröten genährt, die zerstückelt und mit Weizen zu kochen sind; vom Huhn sind die Teile zu essen, die denen des eigenen Körpers entsprechen, die man fetter haben will. Gegen Kinderlosigkeit: Die Eheleute sollen gebackene Exkremente von Eseln verzehren. 8. Jahrhundert v. Chr. Unteritalien wird von den Griechen kolonisiert. Es entstehen große Städte: Sybaris, Croton, Tarent. In Unteritalien wirkte im 6.Jahrhundert der Philosoph, Mathematiker und Arzt Pythagoras, im 5.Jahrhundert der Philosoph Zenon. 196 v. Chr. bemächtigen sich die Römer endgültig Unteritaliens und machen es zu einer Kolonie (Magna Graecia). Vom 1. Jahrhundert v. Chr. an wird die Stadt Salerno von römischen Schriftstellern, namentlich von Horaz und Plinius, als Seebad erwähnt. 500 n. Chr. wird Salerno zum Bistum. 568 bemächtigt sich der Langobardenkönig Alboin der Stadt, die bis dahin erst zum ostgotischen Reiche gehörte, später unter Kaiser justinian (527-565) für kurze Zeit byzantinisch wurde. 644 gerät Salerno unter die Herrschaft der Fürsten von Benevent. Ende des 7, Jahrhunderts wird in Salerno ein
Benediktinerkloster gegründet. Vermutlich erste Ansätze zur „Schule von
Salerno". 849 wird Salerno nach dem Zerfall des Herzogtums Benevent Hauptstadt eines Fürstentums, das zum fränkischen und später zum Deutschen Reich gehört. Im 9. Jahrhundert schon sind die Ärzte von Salerno berühmt. 974 wird Salerno Sitz eines Erzbischofs. 1075 kommt Salerno mit ganz Unteritalien unter die Gewalt des Normannen Robert Guiscard. Die normannischen Herrscher fördern das Ansehen und den Reichtum Salernos. 1084 erbaut Robert Guiscard die Kathedrale San Mattco, eine der schönsten Kirchen Süditaliens, 1130 wird Salerno dem Königreich Neapel und Sizilien einverleibt. 1140 erläßt König Roger (1130-1154) die Verordnung, nach der ein Examen für das Ausüben des ärztlichen Berufes nötig ist. Sein Hof steht unter arabischem Einfluß. 1154-1190 Wilhelm I. (1154-1166) und Wilhelm II. (1166-1189), Herrscher von Neapel und Sizilien, begünstigen den arabischen Einfluß. Der gleichzeitig regierende Deutsche Kaiser Rörnischer Nation Friedrich I., Barbarossa (1152-1190), bestellt in Toledo Übersetzungen aus arabischen Werken. Mitte des 12. Jahrhunderts bestehen große Medizinschulen in Salerno. 1194 kommt das Königreich Neapel und Sizilien, dem Salerno angehört, an Kaiser Heinrich VI - (1190-1197). Unzufriedenheit unter den Einwohnern Salernos. 1195 Strafexpedition Heinrichs VI. gegen Salerno, das teilweise zerstört wird. Viele Gelehrte verlassen die Stadt und tragen ihr Wissen ins Ausland. 1220 wird Kaiser Friedrich II, (1215 -1250) König von Neapel und Sizilien. Er läßt arabische Autoren ins Lateinische übersetzen. Die Schule von Salerno wird staatlich. 1240 erläßt Friedrich II. eine Verordnung, die das medizinische Studium
regelt. Die 1224 von ihm gegründete 1250 bis etwa 1266 herrschen die Söhne Friedrichs II.: Konrad (1250-1254), Manfred (1254-1266). Beide sind Anhänger der arabischen Kultur. 1266 kommt Salerno unter die Oberhoheit von Karl von Anjou (1266-1285), der die arabische Richtung fortsetzt. Ein in Salerno ausgebildeter jüdischer Arzt übersetzt in seinem Auftrag den "Continens" des großen arabischen Arztes Rhazes (etwa 850 bis etwa 932). 1442 bemächtigt sich das Haus Aragonien des Königreichs. Allmählicher Zerfall Salernos 1504 erobern die Spanier Salerno. 1713 erhalten die österreichischen Habsburger Salerno als Beute im Spanischen Erbfolgekrieg. 1808 erobert Joseph Bonaparte, der Bruder Napoleons, Salerno. Rasche Modernisierung. 1811 schliesst Napoleon die Schule von Salerno. 1815 gibt der Wiener Kongreß Salerno den Habsburgern zurück. 1846 entdeckt der Medizinhistoriker Henschel das Compendiom Salernitanum in Breslau. 1852 gibt Salvatore Renzi in Neapel die Salernitianischen Manuskripte als Compendium Salernitana heraus. 1860 erklärt sich eine Volksabstimmung in Salerno für den Anschluss an Italien. 7.11.99 kPa |